Wenn man als Ballett-Nerd nach Moskau reist, ist das Programmangebot natürlich vielfältig: Bolschoi, Stanislawski, Kreml-Ballett oder andere Compagnien – irgendeiner tanzt eigentlich immer. Schon bei der Planung des ersten Moskau-Besuchs bei einer Freundin dort im vergangenen Oktober spukte mir allerdings die Idee im Kopf herum, dort Ballett nicht nur anzusehen, sonder selbst einmal zum Training zu gehen und eine „richtige“ russische Ballett-Stunde zu erleben. Eine schnelle Google-Suche nach „Adult Ballet Classes in Moscow“ ergab eine überschaubare Anzahl brauchbarer Treffer – darunter ziemlich weit oben Dance Secret. Der Name ist Ballett-Nerds von Facebook oder YouTube geläufig, wo regelmäßig beispielsweise historische Unterrichtsvideos der Bolschoi-Akademie zu sehen sind. Der Inhaber der Schule, Ilya Kuznetsov, unterrichtet selbst die Jungs an der Bolschoi-Akademie, was einerseits natürlich Qualität erwarten lässt, andererseits aber auch nicht gerade zur Entspannung beiträgt, wenn man als Ausländer zum ersten Mal dorthin marschiert… 

Ein Blick auf den Online-Stundenplan und eine Nachfrage per Mail ließen die Wahl  jedenfalls auf eine „Ballett 2“-Class fallen – was sich angesichts nicht-existenter Russisch-Kenntnisse als gute Entscheidung entpuppte, weil das Niveau basic genug war, um allen Kombinationen gut folgen zu können. Als nun ein zweiter Moskau-Besuch anstand, war es also keine große Frage, ob, wo und in welches Level ich zum Training gehen könnte. Während das Training im Oktober Ilya selbst gab, war es nun seine Partnerin Sol, die unterrichtete.

Ballet-Studio Dance Secret

Nach dem ersten Training bei Dance Secret im Oktober 2014

Auch nach dem zweiten Besuch zeigte sich: Komplette Sprachbarriere hin, universelle Ballett-Terminologie her – man versteht genug und kann so einige Beobachtungen machen:

  • Pliés werden wohl grundsätzlich nur zu einer Seite gemacht. In diesem Fall war es überraschenderweise auch noch die linke!
  • Tendus, Jetés und Grand Battements boten reichlich Grund zu Kritik (die ich natürlich nur aufgrund von Demonstrationen nachvollziehen konnte) und wurden deswegen zu beiden Seiten wiederholt
  • Rond de jambe, Rond en l’air und Adagio: hier wurde besonders penibel Wert gelegt auf die Auswärtsdrehung (was natürlich nicht überrascht) und viel mit Épaulement sowie Écarté und Effacé gearbeitet. Das setzte sich dann auch in der Mitte fort und die Richtungswechsel und Blickrichtungen schienen den anderen (12) Teilnehmern sehr vertraut und unproblematisch. Das wird also offenbar wichtiger genommen, als es mir von Lehrern in Deutschland geläufig ist.
  • In der Mitte war neben Épaulement gute Stabilität und Balance gefragt – nicht nur fürs Adagio, sondern auch für Relevés und Pirouetten aus der zweiten Position
  • Sprünge fielen eher mager aus: ein paar Échappés und nur eine Diagonale mit Chassées, die also den Namen Grand Allegro wirklich nicht verdient
  • Auch ohne ein Wort der Korrekturen  buchstäblich zu verstehen, kann man durch Körpersprache, Imitationen falscher Bewegungen und korrekte Demonstrationen die Kritikpunkte ganz gut erschließen. Nachdem ich mich aber beim Reinkommen als Ausländerin und des Russischen unkundig geoutet hatte, wurde ich wohl eher verschont – die regelmäßigen Teilnehmer waren jedenfalls namentlich bekannt und wurden auch offen korrigiert.
  • Vokabeln, die man sich innerhalb einer Stunde zusammen reimen kann, sind neben den (möglicherweise ohnehin bekannten) Zahlen von eins bis vier (ras-dwa-tri-tschetirije) die Worte für „links“, „nach vorne“, „zur Seite“, (der Ausdruck für „nach hinten“ hat sich mir komischerweise nicht erschlossen) und „Pirouette“ muss offenbar keine Pirouette bezeichnen, sondern nur eine Drehung im Allgemeinen
Dance Secret

Nach der Class im Studio von Dance Secret im April 2015

P. S.: Das ausführliche und ultimative Ballett-in-Moskau-Besuchsprogramm kann man bei meiner Gastgeberin nachlesen.