Ein Workshop des Staatsballett Berlin

Neulich habe ich eine Choreografie von George Balanchine getanzt. „Na und?“ werden die einen jetzt fragen. „Wie das?“ die anderen. (Und wer fragt, „George wer?“, sollte ebenfalls weiterlesen.)

Mit dem Schulorchester Werke von Bach, Mozart oder Beethoven spielen? Ist kein Problem. Bei der Aufführung der lokalen Ballettschule Ausschnitte aus „Dornröschen“ oder „Nussknacker“ zeigen? Unkritisch. Wer jedoch ein Stück eines Komponisten aus dem 20. oder 21. Jahrhundert für Amateure oder eine bestimmte Besetzung arrangieren wollte, stößt womöglich auf Probleme. Und wer gar daran denkt, mit seiner Ballettschule eine Choreografie von George Balanchine auf die Bühne bringen zu wollen, kann sich von dieser Idee eigentlich sofort verabschieden. Denn da gibt es den kleinen Stolperstein namens Urheberrecht.

Im Fall von George Balanchine (und vielen weiteren) sind Erben bzw. Rechteverwalter streng darauf bedacht, die Werke so zu erhalten, wie sie von den Künstlern geschaffen wurden. Um das insbesondere bei ohnehin nie 1:1 reproduzierbaren Live-Aufführungen von Kompositionen oder Choreografien zu gewährleisten, achten sie vor allem auf die Qualität der Interpreten. Im Falle des Choreografen Balanchine heißt das, dass nur professionelle Ballettcompagnien die Genehmigung zur Aufführung seiner Werke erhalten und die zur Einstudierung einen vom George Balanchine Trust bestellten Repetiteur in Anspruch nehmen müssen.

Ich ging also bislang nicht davon aus, in meinem Leben einmal eine Balanchine-Choreografie zu tanzen. Doch dann hatte eine der Teilnehmerinnen, mit denen ich im letzten Sommer in Finnland „Schwanensee“ getanzt habe, die Idee, bei einem Workshop des Staatsballett Berlin ein kleines außerfinnisches Wiedersehen zu veranstalten. Von diesen Workshops für Hobbytänzer hatte ich bereits gehört, und als Vorwand für ein Wochenende in Berlin taugte das allemal!

Da in dieser Saison Balanchines berühmte Trilogie „Jewels“ auf dem Spielplan des Staatsballetts steht, kamen wir Amateure so in den seltenen Luxus, Ausschnitte aus zweien der Edelstein-Ballette zu lernen. Während die eine Gruppe Auszüge aus „Emeralds“ einstudierte, lernten wir das Finale aus „Diamonds“. (Der dritte Teil, „Rubies“, ist so schnell und athletisch, dass er für Amateure eh nicht realisierbar ist.)

George Balanchine, der als Begründer des amerikanischen Balletts gilt und untrennbar mit der School of American Ballet und dem New York City Ballet verbunden ist, ist insbesondere für rhythmische Prägnanz und schnelle Fußarbeit bekannt. Und während das Finale aus „Diamonds“ mit langsamen, ausladenden Schritten beginnt, nimmt Tschaikowskys Musik dann nochmal Tempo auf, und wir durften Bekanntschaft mit einigen der rhythmischen Spielereien Balanchines machen. Wer sich wie ich lieber auf sein musikalisches Gespür verlässt als zu zählen, muss hier nämlich zähneknirschend einsehen, dass man gelegentlich nicht ums Zählen herumkommt. Eine Folge von Passés, die zunächst im Vierer- und dann im Dreiermetrum stehen, während die Musik unverändert durchläuft, sieht für den Zuschauer im Publikum unproblematisch aus. Wie tricky es in Wirklichkeit ist, merkt man aber schnell, wenn man aber versucht, das präzise auszuführen.

Wie gut uns das gelungen ist, wird aber niemand erfahren, denn eine öffentliche Aufführung gab es natürlich nicht und das vom Staatsballett aufgenommene Video ist auch streng vertraulich. Bei den Profis sieht das jedenfalls so aus: